Persönlicher Austausch in Sprechstunde
und Begegnungen

In der Sprechstunde oder im persönlichen Austausch in einem geschützten Rahmen können Sie mit Studierenden besprechen, was individuell zum Gelingen des Studiums nötig ist. Dass diese Person sich überhaupt an Sie wendet und Unterstützung einfordert, ist ein Vertrauensvorschuss.
  • Bereiten Sie sich vor und erwägen Sie einige praktische Hinweise. So können Sie womöglich den Gesprächsverlauf und - auch emotionale - Reaktionen des Studierenden besser abschätzen und spontaner, souveräner reagieren.
  • Reagieren Sie offen und sensibel. Seien Sie flexibel, auch wenn der die Person einen für Sie verblüffenden Umgang mit der eigenen Erkrankung oder Beeinträchtigung hat.
  • Fragen Sie nach, wenn bezüglich der Beeinträchtigung etwas unklar ist, das für Sie als Lehrperson relevant ist. 
  • Sprechen Sie ganz normal. Studierende mit Behinderung sind in der Lage, darauf zu reagieren. Sie wissen selbst, ob sie Hilfe annehmen wollen oder nicht, Persönliches preisgeben wollen oder nicht, und ob sie die Sprache in dieser Situation angemessen finden oder kritisieren wollen.
  • Raum: Finden Sie einen Ort, der mit einer Beeinträchtigung zugänglich und auch störungsfrei ist bzw. prüfen Sie ihr Büro auf die jeweiligen Bedürfnisse. Sorgen Sie für eine gute Atmosphäre in geeigneter Umgebung.
  • Klärungsbedarfe: Wo gab es vielleicht bereits Schwierigkeiten im Seminar, wo könnten sie am Semesterende bei der Klausur oder Prüfungsleistung auftauchen?
  • Lösung: Fragen Sie nach gewünschter Unterstützung oder bieten Sie konkrete Hilfe an - vielleicht hat die oder der Studierende bereits bestimmte Hilfsmittel im Einsatz oder eine Assistenz. Besprechen Sie das Thema Nachteilsausgleich in Bezug auf Prüfungssituationen.
  • Ausblick und nächste Schritte: Einigen Sie sich ggf. auf konkrete Verbesserungen im weiteren Verlauf der Veranstaltungen oder darauf, eine andere Anlaufstelle an Ihrer Hochschule ins Boot zu holen. Geben Sie der Person auf Wunsch die nötigen Infos oder Kontakte an die Hand.
  • Sprechstunden: Mit einem Gespräch ist es nicht immer getan. Es kann helfen, bereits fest einen nächsten gemeinsamen Termin zu vereinbaren, z.B. bevor das Semester endet, um den aktuellen Stand zu besprechen oder auszuwerten, ob alles in Ordnung war.

Praktische Hinweise

Bewegungsbehinderte Studierende

Wenn Personen motorisch beeinträchtigt sind, kann das Unterschiedliches bedeuten, z.B. Schwäche, Steifheit oder eingeschränkte Beweglichkeit der Gelenke bis hin zur Lähmung.
Möglicherweise ist die Koordination der Studierenden erschwert. Dazu gehören in vielen Fällen chronische Schmerzen.
Eine Gehhilfe oder ein Rollstuhl helfen bei der Fortbewegung. Auch Prothesen können helfen; nicht immer sind sie offensichtlich.
  • Stellen Sie Zugänglichkeit sicher: Prüfen Sie, ob der Raum erreichbar und groß genug ist, im Hinblick auf Rampen, Türbreiten, funktionierende und passende Aufzüge. Falls nicht, müssen Sie vorher Ersatz finden, beispielsweise im Erdgeschoss. Richten Sie Möbel am Sitzplatz so ein, wie es zur Studierenden passt.
  • Bieten Sie Unterstützung: Fragen Sie ob und wie Sie helfen können, auch damit das Gespräch am Ende weiterhilft. Akzeptieren Sie aber genauso, wenn keine Hilfe gewünscht ist.
  • Gestalten Sie die Begrüßung entsprechend: Auch ohne Corona ist es nicht automatisch sinnvoll, die Hand hinzuhalten, wenn der Studierende sie nicht annehmen kann.

Studierende mit Sehbehinderung oder Blindheit

Zu den Sehbehinderungen gehören die vollständige Erblindung, Sehschwäche, Kurz- und Weitsichtigkeit oder Farbfehlsichtigkeiten. Visuelle Informationen müssen deutlicher bzw. mit Hilfsmitteln erkennbar, oder ganz anders wahrnehmbar sein müssen, beispielsweise hörbar.
  • Bieten Sie Orientierung oder Begleitung: Beschreiben Sie den Weg zum Büro, falls nötig, und die Schritte im Raum. Bieten Sie an, die Studierende zum Platz hin oder zum Ausgang zu leiten. Greifen Sie dabei nicht einfach zu, sondern fragen Sie nach: "Darf ich Ihnen für den Weg meinen Arm anbieten?" Üblicherweise bleibt Ihr Arm am eigenen Körper und wird aktiv von der anderen Person berührt. Manche folgen lediglich, indem sich die Schultern oder Oberarme berühren. Warten oder fragen Sie, wie die Person vor Ihnen dies wünscht.
  • Fassen Sie Ihre Handlungen in Worte: „Zur Begrüßung gebe ich Ihnen die Hand!“, „Den Stift habe ich direkt neben Ihre Mappe gelegt.“
    Nicken, Lächeln oder Aufmerksamkeit müssen Sie möglicherweise akustisch vermitteln oder betonen.
  • Akzeptieren Sie technische Hilfen: Sehbehinderte Studierende nutzen Mobiltelefone, um Notizen einzusprechen oder Leuchtlupen, um Dokumente zu lesen.

Chronisch erkrankte und psychisch erkrankte Studierende

Psychische Beeinträchtigungen umfassen Angststörungen, Persönlichkeitsstörungen, Depressionen, Essstörungen oder Suchterkrankungen. 
Einige Studierende leben mit Multipler Sklerose, Reizdarmsyndrom, Diabetes, Tourette oder Erschöpfungssyndrom. Chronische Erkrankungen sind selten direkt erkennbar. Sie schränken aber die Studierfähigkeit oftmals stark ein. Bei bestimmten Erkrankungen kann es Zeiträume geben, in denen keinerlei Beeinträchtigung spürbar ist, dagegen treten schubweise Erkrankungen mitunter plötzlich und ohne Vorwarnung auf.
Manche Erkrankungen sind selten oder Ihnen vielleicht unbekannt – das macht sie nicht weniger schmerzhaft, einschränkend und ernstzunehmend. Hinzu kommt, dass viele Therapien einiges an Zeit erfordern und häufig Nebenwirkungen haben.
  • Bleiben Sie aufgeschlossen: Psychische oder chronische Erkrankungen sind oft gesellschaftlich noch stigmatisiert. Studierenden fällt es vielleicht schwer darüber in den Austausch mit Ihnen zu gehen. Psychische oder chronische Erkrankungen können Auswirkungen auf das Leben und Studium Ihres Gegenübers haben, über die Sie im Gespräch vielleicht stolpern. 
  • Bliben Sie respektvoll: Bleiben Sie ernsthaft und respektvoll auch wenn Gesprächsthema, persönliche Details, Probleme oder wahrnehmbare Symptome Sie fordern. 
  • Bestärken Sie: So unangenehm es für Studierende sein kann, die Erkrankung überhaupt zum Thema zu machen – ihnen steht Unterstützung zu. Gemeinsame Lösungen und Ausgleich zu schaffen, ist möglich. Setzen Sie sich dafür ein.
  • Fragen Sie bei Unklarheiten nach.

Hörbehinderte oder gehörlose Studierende

Schädigungen des Hörvermögens sind sehr unterschiedlich: Sie reichen von leichter Schwerhörigkeit bis hin zur Taubheit auf einem oder beiden Ohren (gehörlos). Hörbehinderten Personen fällt es schwer, mündlichen Vorträgen zu folgen.
Personen können lernen, das, was gesagt wird, von der sprechenden Person abzusehen. Man spricht heute von "Absehen" und nicht von "Lippenlesen". Absehen hat enge Grenzen, im Deutschen sind wenige Laute eindeutig am Mundbild zu erkennen. Oftmals liefert selbst eine gute Hörgerätversorgung das Gehörte nur bruchstückhaft wie ein Lückentext. Es kann nicht verstärken, was ohnehin vom Studierenden gar nicht gehört wird. Absehen kann helfen, diese Lücken zu schließen.
Es kann vorkommen, dass Studierende zusammen mit einem Gebärdendolmetscher zu bestimmten Situationen wie der Sprechstunde kommen. Er ist kein Vormund – sprechen Sie immer bewusst mit der Studierenden, statt mit dem Dolmetscher.
  • Verhindern Sie Lärm und Geräusche: Schließen Sie Fenster und Türen. Fummeln Sie nicht an Unterlagen oder Tastatur, insbesondere wenn einer von Ihnen spricht. Suchen Sie im Voraus einen anderen Raum, wenn Ihr Büro nicht ruhig ist.
  • Ausleuchten und Zuwenden: Wenden Sie sich zu, sodass Ihre Lippen und Ihr Gesichtsausdruck gut zu sehen sind. Sorgen Sie für viel Licht, vermeiden Sie Gegenlicht.
  • Strukturieren Sie das Gespräch: Kündigen Sie Themenwechsel an, kündigen Sie Fragen an.
  • Wiederholen Sie: Wiederholen Sie auf Rückfrage möglichst den identischen Satz, wandeln Sie nicht ab. Wiederholen Sie geduldig mehrfach, wann immer das nötig ist. Deutlich artikulieren ist gut, ungebeten laut oder skurril langsam zu sprechen eher nicht.
  • Doppeln Sie nach: Vergewissern Sie sich, dass Ihr Gegenüber alles verstanden hat. Fragen Sie nach, was verstanden wurde, insbesondere wenn die Antworten nicht gut passen.

Studierende mit Teilleistungsstörung

Dyslexie und Dyskalkulie, Legasthenie und AD(H)S sind Teilleistungsstörungen, die Studierenden ein Studium erschweren können. Der funktionale Analphabetismus, also eine sehr geringe Lese- und Schreibkompetenz, gehört ebenso dazu, ist aber vermutlich an Hochschulen selten.
  • Im Gespräch schränken diese Beeinträchtigungen nicht unbedingt ein. Sie sind aber häufig Grund, dass Studierende sich für das Studium Unterstützung holen müssen, vor allem bei Prüfungssituationen.
    Bleiben Sie aufmerksam und offen für die Anliegen Ihres jeweiligen Studierenden.